„Wir sind unterwegs, um der Flüchtlinge zu gedenken, deren Weg im Grenzfluss Drina ein Ende fand. Es ist eine bedrückende Reise, die deutlich macht, was die Festung Europa konkret bedeutet und wie weit die Entmenschlichung an den EU-Außengrenzen bereits fortgeschritten ist.“ (Roswitha Feige)
Mit einer bunten Gruppe von engagierten Menschen von SOS Balkanroute, Journalist:innen, Influencer:innen ,„Omas gegen Rechts“ und einem Vertreter der Diakonie war ich im Namen des Pfarrnetzwerks vom 19.-21.01.24 unterwegs in Bijeljina und Zvornik an der Drina im Grenzgebiert zwischen Bosnien & Herzegowina und Serbien. Wir sind unterwegs, um der Flüchtlinge zu gedenken, deren Weg im Grenzfluss Drina ein Ende fand. Es ist eine bedrückende Reise, die deutlich macht, was die Festung Europa konkret bedeutet und wie weit die Entmenschlichung an den EU-Außengrenzen bereits fortgeschritten ist. Zugleich ist es eine bestärkende Reise, Begegnungen mit Menschen, die sich für Geflüchtete einsetzen und ihnen Achtung und Menschenwürde bis zum Schluss entgegenbringen.
Am orthodoxen Friedhof von Bijeljina konnten 21 Migrantengräber und zwei Gedenksteine für die auf der Flucht Verstorbenen errichtet werden. Am 20.01.24 wird dieser Teil des Friedhofs offiziell eröffnet im Beisein von vielen bosnischen Organisationen wie dem Roten Kreuz, der Bergrettung, dem JRS und von internationalen Freunden und Unterstützern allen voran unsere Gruppe aus Österreich. Es ist Winter und sehr kalt trotzdem kommen wir hier zusammen, um der Menschen zu gedenken, die den Weg in die EU nicht geschafft haben.
Mit uns unterwegs ist ein Afghane dessen Bruder im Fluss Save ertrunken ist und berichtet von seinen Träumen, die hier je zerschellt sind. Seine Betroffenheit lässt uns alle still werden. Wie viele dieser Toten sind unbekannt. Wie viele Familie suchen ihre Angehörigen, warten auf ein Lebenszeichen, selbst wenn es die traurige Nachricht vom Tod ist.
Eine Vertreterin des bosnischen Menschrechtsminister spricht, Bedrana Ribo die Nationalratsabgeordnete der Grünen und Nihad Suljić, der bosnische Aktivist, der sich seit Jahren um die toten Migranten sorgt. Dann werden vor dem Denkmal Kränze niedergelegt, einer davon ist von unserem Netzwerk.
Die Inschrift des Denkmals lautet:
„Hier sind Migranten und Flüchtlinge begraben. Niemals werden wir eure in der Drina zerbrochenen Träume vergessen.“
Wir kommen ins Hotel Drina zurück, wo wir für zwei Tage untergebracht sind und wo der Tag weitergeht mit der Konferenz „Gestoppte Träume an Europas Außengrenzen“. In den Berichten der Bergwacht, dem Pathologen Dr. Vidak Simić u.a. das ganze Ausmaß der Tragödie deutlich. Nur wenige Leichen können überhaupt geborgen werden. Wie viele der Fluss Drina aufgenommen hat ist unbekannt. Von den Leichen werden DNA Proben genommen und aufbewahrt in der Hoffnung, dass Angehörige so ihre Toten finden können und ein Abschied möglich ist. Immer wieder melden sich Familie bei Nihad Suljić und fragen nach ihren Angehörigen. Einige dieser Anfragen werden bei der Konferenz eingespielt und machen die Wichtigkeit dieser Arbeit deutlich. In Planung ist eine DNA-Datenbank damit die Anfragen bearbeitet werden können und die Familien nach ihren Angehörigen suchen können.
Auf einem Podium konnte ich auch kurz über das Pfarrnetzwerk Asyl sprechen, darüber, wie auch wir der Toten an den EU-Außengrenzen gedenken und versuchen ihre Lebensgeschichten, die Erinnerung an sie lebendig zu halten.
Genau darum bat auch Nihad Suljić in einem sehr emotionalen und dringlichen Schlussappell. Vergessen wir die Toten nicht. Sprechen wir über das, was ihnen an den EU-Außengrenzen geschieht und fordern wir eine andere menschlichere Asylpolitik.
Von Bijeljina ging es am nächsten Tag weiter nach Zvornik. Hier bildet die Drina die Grenze zu Serbien. Eine Brücke verbindet die beiden Länder. Flüchtlinge können sie nicht überqueren, sie müssen den beschwerlichen und gefährlichen Weg durch den Fluss wagen. Auch hier ist es der orthodoxe Friedhof, der Platz geschaffen hat für die Gräber derer, die auf diesem Weg ihr Leben verloren haben.
An der Drina trafen wir wenig später bosnische Frauen und zwei Imame, die sich für Geflüchtete einsetzen. Menschen die 1992 selbst den Krieg erlebt haben nehmen hier Geflüchtete in ihre Häuser und Moscheen auf, versorgen die mit dem Nötigsten und erhalten ihre Menschenwürde bis zum Schluss. Es war bewegend ihnen zuzuhören.
In einer abschließenden Gedenkfeier haben wir zu Mittag, nach dem Gebetsruf der nahegelegenen Moschee, Rosen in die Drina geworfen und für die Toten gebetet.
Am 19. Juni 2024 wird Nihad Suljić nach Wien kommen und am „Interreligiösen Totengenden für die an den EU-Außengrenzen verstorbenen Flüchtlinge“ teilnehmen (19:00 Uhr, Pfarrsaal der Gemeinde Rudolfsheim, Pfarre Hildegard Burjan) und im Anschluss zu uns sprechen. SAVE THE DATE!
Der vollständige Bericht als PDF zum Download.
Alle Fotos: Murtaza Elham